Bioethik in Zeiten des Klimawandels
Diese Welt steht vor einer sehr großen Herausforderung: dem Klimawandel. Globale über Jahrzehnte andauernde menschgemachte Umweltzerstörung zieht einen gigantischen Rattenschwanz an Folgen im Rahmen des Oberbegriffs „Klimawandel“ mit sich. Die Wesentlichste ist sicher ein neues, bereits angelaufenes Artenstreben und der damit einhergehende Rückgang der globalen Biodiversität. Dies zieht nun zwei große ethisch relevante Bereiche mit sich: Zum einen die Klimaethik, die fragt welches Handeln in Anbetracht des Klimawandels moralisch ist, um diesen ethisch vertretbar einzudämmen, und zum anderen die Bioethik, welche uns Richtlinien liefert, wie wir das schnell wachsende Potential der Biowissenschaften durch verantwortungsvolle Verschiebung und Überschreitung natürlicher Grenzen ethisch nutzen können, um beispielsweise Pflanzen genetisch hitzeresistenter zu modifizieren, um sie dem Klimawandel anzupassen. (Bpb 2017)
Wir verfolgen hier also zwei grundverschiedene Ansätze. Die Klimaethik beschäftigt sich damit das Problem aufzuhalten, die Bioethik sich diesem anzupassen. Somit halte ich eine gegenseitige Beeinflussung für unabdingbar. Warum? – Ein Beispiel: Wäre es ohne Existenz eines Grundes, wie zum Beispiel der Erderwärmung, ethisch vertretbar heimische Pflanzen genetisch zu modifizieren, um sie hitzeresistenter zu machen?
Prinzipiell sprechen hier einige Faktoren dagegen, aber auch viele dafür. Genetisch modifizierte Pflanzen bergen immer ein Risiko. Theoretisch ist es in der Natur immer möglich, dass Samen von genetisch modifizierten Pflanzen sich unkontrolliert vermehren und an anderer Stelle wieder auskeimen. Das ist deshalb problematisch, weil es passieren kann, dass die genetisch modifizierte Linie die ursprünglich natürliche Linie verdrängt. Die natürliche Selektion bevorzugt dann die genetisch fittere Pflanze und die natürliche stirbt langfristig aus. Da kommt es dann natürlich immer auch nochmal darauf an, was das für eine Pflanze ist, die genetisch modifiziert wurde. Beispielsweise bei Raps ist das problematisch, da dieser viele Samen produziert und eigentlich überall wächst. Andere Pflanzen, wie beispielsweise Kartoffeln oder Karotten sind in der Natur ohne menschliche Pflege nur schlecht überlebensfähig. Hier wäre also aus dieser Perspektive kein Problem gegeben. Dies war natürlich nur ein Beispiel für die Risiken, die genetisch modifizierten Pflanzen bergen.
Ein anderer Punkt in diesem konkreten Beispiel wäre, dass die Modifikation der Pflanzen mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem profitorientierten Agrarunternehmen durchgeführt würde. Dieses Unternehmen würde im Rahmen der Wirtschaftlichkeit vermutlich ein sogenanntes Hybridsaatgut auf den Markt bringen. (Reset 2013) Hybridsaatgut ist Fluch und Segen zugleich. Dieses wird damit beworben höhere Erträge einzubringen, resistenter gegenüber Schädlingen und Krankheiten und technisch leichter handhabbar zu sein. Problem des Ganzen ist jedoch, dass Hybridsaatgut im zweiten Jahr, sofern der Bauer aus den Samen der geernteten Pflanzen erneut aussähen möchte, deutlich weniger Ertrag bringt. Im Schnitt etwa 15 % weniger. Das bedeutet der Bauer hat ein Saatgut, welches zwar mehr Ertrag bringt, aber er muss es jedes Jahr bei der ursprünglichen Herstellerfirma kaufen. Dieses Abhängigkeitsverhältnis ist womöglich für die Bauern in unserer westlichen Welt kein Problem. Ethisch relevant und damit auch hochproblematisch wird es für die Bauern in Schwellen- und Entwicklungsländern und an den Orten wo Dürre, Hunger und Hitze nicht nur Wörter sind, sondern der Fluch des alltäglichen Lebens. Die Monopole einiger Agrarkonzerne könnten in Entwicklungsländern dazu führen, dass die Lebensmittelpreise steigen, was wiederum dazu führt, dass für die Ärmsten der Armen noch weniger Lebensmittel verfügbar sein werden. Nun wieder zur Frage: Wäre dies dann ethisch vertretbar? Ich finde nicht.
Freies Wissen und vor allem freier Zugang zu Saatgut halte ich für immens wichtig. Ein weiterer Grund, der für die Modifikation von Pflanzen spricht, ist das sogenannte maltesische Problem (auch malthusischen Katastrophe genannt). Die malthusische Katastrophe beschreibt das Problem, welches aus der Steigungsrate der Nahrungsmittelproduktion in Kohärenz zur explodierenden Weltpopulation hervorgeht. Im Jahr 2016 gab es auf der Erde 7,4 Milliarden Menschen. Im Jahr 2050 prognostiziert die UN mehr als 9,1 Milliarden Menschen auf der Erde. Das bedeutet, die Landwirtschaft müsste 70 % mehr Ertrag als im Jahr 2007 weltweit erwirtschaften und auch noch richtig umverteilen. Einige würden nun vermutlich vermuten, dass sich auch die Ackerfläche in 50 Jahren weitaus vergrößert haben sollte. Dies ist allerdings nicht der Fall. Vergleicht man die Erschließungsrate von 1966 – 2016, so wurde in dieser Zeit lediglich 10 % mehr Ackerland erschlossen, die Menschheit ist jedoch um 120 % gewachsen. Somit benötigen wir im Jahr 2050 nach einer Prognose der BASF mehr Nahrungsmittel als je zuvor in der Menschheitsgeschichte gewachsen sind. Hinzu kommt die globale Erwärmung, welche die Nahrungsmittelproduktion um 30 % reduzieren könnte und zusätzlich steigende Lebensmittelpreise verursachen könnte.
Glücklicherweise gibt es auch Positivbeispiele für den ethisch vertretbaren Umgang mit Gentechnik. Schaut man sich die Stiftung von Bill und Melinda Gates an, stößt man auf ein Cassava Projekt. Maniok, wie Cassava auch genannt wird, ist ein Grundnahrungsmittel in Entwicklungsländern und ansatzweise vergleichbar mit der europäischen Kartoffel. (NextGen Cassava o.J) Die Gates Foundation hat sich zum Ziel gemacht, Cassava genetisch so zu modifizieren, dass der Ertrag gesteigert werden kann und das Wissen jedem zur Verfügung steht (Open Source). Somit kann jeder auf der Welt diese Informationen nutzen und ein Monopol wird so verhindert. Ziel des Projekts ist, den Zuckertransport vom Blatt in die essbare Speicherwurzel zu effektivieren, da dieser in Maniok extrem inneffizient verläuft. Auch die Abteilung für Pflanzenphysiologie der Technischen Universität Kaiserslautern beteiligt sich in dieser Forschungsarbeit.
Um meine ursprüngliche Frage zu beantworten: Ohne einen ethisch sinnvollen Grund halte ich genetische Grenzüberschreitungen für falsch. Sinnvolle Gründe sind in der Philosophie relativ und im Diskurs zu ergründen. Der Klimawandel ist sicher der sinnvollste Grund der nächsten 20 Jahre. In diesem konkreten Beispiel beantwortet ein klimaethischer Ansatz eine bioethische Fragestellung.